15. Dezember 2009

Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Grafik: TRIK
Tag 1: Eine Gruppe engagierter und klimabewusster überwiegend junger Menschen macht sich an einem Freitag auf den Weg um die Welt zu verändern – zumindest Teil der Veränderung zu sein, des großen weltweiten Prozesses, der gerade stattfindet. Es ist grau, Schauer und beginnende Kälte lassen nicht nur uns, sondern auch die am Seehafen auf uns wartenden Polizisten frieren. Dementsprechend freundlich sind ihre Gesichter. Sie nehmen Stichproben, kontrollieren teilweise das Gepäck, das bremst und wir schaffen gerade so die Fähre. Auch in Dänemark werden wir von der Polizei erwartet, doch die lächelnde Dame schaut nur halbherzig auf die Ausweise und wir können mit unseren 2 Bussen schon nach wenigen Minuten passieren.
Auf in den Kampf! Auf zur Aktion! Die ganze grüne Welt trifft sich. Und Kopenhagen ist sein Campingplatz. Internationales Klassentreffen. Doch keiner redet über alte Zeiten. Hier liegt der Unterschied: Man redet über das Morgen. Dies ist vielleicht der größte Wandel in unserer Zeit. Klima hin oder her – es ändert sich das denken! Die Masse Mensch begreift sich langsam selbst und ist dabei sich eine Richtung zu geben, zumindest die falschen Pfade zu verlassen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, das wir unserer Macht als Ganzes auch in Bezug auf den Planeten bewusst werden. Bei aller Skepsis, liegt hier schon der Fortschritt. Bei aller Langsamkeit im Prozess der notwendigen Veränderungen, darf diese Errungenschaft nicht außer Acht gelassen werden.
Nach bevor wir die dänische Hauptstadt erreichen kommen die ersten guten Nachrichten per SMS: DONG beendet sein Engagement in Lubmin – der ganze Bus klatscht.
In Kopenhagen besuchen meine Freundin und ich mit unserem Host eine Couchsurfing-Climate-Summit-Party mit Teilnehmern aus ca. 10 Nationen. Es gibt viele interessante Debatten, ich unterhalte mich lange mit einem Delegierten aus Island (leider ist eine nachträgliche Kontaktaufnahme, bezüglichen eines möglichen Kommentars gescheitert). Wir kommen spät zu Bett, schlafen spät ein, ich bin euphorisiert und beschwippst vom Øl (Bier) und vom Glauben ein eine bessere, realisierbare Welt…

Tag 2: Wir verpassen die „Welle“, verschlafen sie schlicht – eine der Hauptaktionen welche für dieses Wochenende geplant war. Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen – verfrühstücken gegen halb 12 die Brötchen vom Vortag auf einem zentralen Platz. Ich beobachte die Menschen – offensichtlich viele Dahergereiste und vor allem: viel Polizei. Es ist furchtbar kalt, erste interne Zweifel – bin ich nun für oder gegen den Klimawandel - machen sich breit.
In der Mittagszeit sieht man Demonstrierende mit McDonalds Burger in der Hand, oder in großen Ausbeuterunternehmen shoppende – befremdlich.
Sogar der WWF kooperiert hier mit Coca Cola. Das bringt den Vorteil, das besagtes Getränk im besagten Infozelt - vor welchem ein wegen der Kälte nicht so recht schmelzen wollender Eisbär (aus Eis) steht - umsonst ist. Es gibt Vorträge, viel Infomaterial, und Wärme. Wir verweilen ein wenig und ziehen weiter in Richtung Rathausplatz, vor dem ein Tannenbaum steht, der mit der Energie von Fahrradfahrenden Freiwilligen beleuchtet wird. Es gibt wiederum Infostände und große Banner mit „Hopenhagen“. Dänemark gefällt sich als grünes Aushängeschild Europas (auch wenn dies auch kritisch zu sehen ist – aber das soll hier nicht das Thema sein). Mich nervt derweil der blöde Polizeihubschrauber, ein immerwährender summender Unterton, der fast jede Erinnerung an diese Tage begeleitet.
Wir finden per Zufall den Demonstrationszug, welcher am Abend die Straßen der Stadt in Lichtermeere verwandelt hatte – schöne Bilder. Wir folgen in einiger Entfernung. Beobachten hektisches treiben der Polizei, sehen viel Müll und hunderte Schilder mit Aufschriften wie: „There is no Planet B“. Es ist praktisch – Parolen müssen nicht selbst (aus)gedacht werden, sie werden schlicht übernommen. Sie brüllen „sustainability“ oder „conservation“ und hinterlassen Berge voller Abfall und 20 eingeschlagene Fenster an der alten denkmalgeschützten Börse. Wäre der Sonnenuntergang nicht so überwältigend schön gewesen, ich hätte mich herab gelassen mich über diesen Umstand negativ zu äußern.

Nachdem die Kälte unsere Motivation zu partizipieren eliminiert hatte, fuhren wir zu unserem Host, aßen Abendbrot und sind in langen Debatten mit Saara (einem weiteren Gast aus Finnland) versunken, in denen sich unter anderem offenbart hat was der Weihnachtsmann (in Lappland) in seiner Freizeit macht: Er studiert Sprachen (kann schon 10 fließend!). Ich liebe solche Insiderinformationen und kann mich nicht bremsen diese zu verbreiten.

Tag 3: Am Morgen besuchen wir Christiania. Am Vorabend hat es hier Ausschreitungen gegeben. Dennoch ist alles verschlafen, selbst Polizei ist nicht vor Ort. Es gibt ein Trauma-Center, für Demonstrationsopfer und viele Banner mit grünen Parolen.
Auf dem Weg zum Abfahrtsort kommen wir an denselben Straßen vorbei, die gestern noch postkriegerisch aussahen. Alles ist wieder sauber, lediglich in den Kanälen schwimmen noch ein paar Andenken. Die geborstenen Scheiben der Börse sind notdürftig geflickt.
Auf dem Rathausplatz sehen wir zufällig den vielleicht berühmten Musikexport Dänemakrs: Outlandisch. Auch sie appellieren an das Publikum, mahnen zur Verantwortung, gegenüber der Zukunft und der Welt als Ganzes. Und immer wieder „Hopenhagen, Hopenhagen…“.
Das Klimaforum09– sozusagen der Alternativgipfel zu COP15 – befindet sich in der Nähe unseres Abfahrtorts. Ein spontaner Besuch ist überraschender Weise ohne Einschränkungen möglich. Es ist verdammt voll, die Gänge, die Böden, allesamt belagert. Eine nicht enden wollende Informations- und Menschenflut umgibt diesen Ort. Ich bin schnell überfordert, sehe kein Ziel mehr und glaube schlicht, dass die Masse an Informationen verursacht, dass diese an sich selbst erstickt.
Als wir losfahren, wieder Richtung Heimat, steht der Horizont in Flammen, die vorbeirauschenden Nebenarme der Ostsee sind karibisch blau. Ein versöhnliches Ende, für ein enttäuschendes Wochenende. Ich bin so leer in jenem Moment – und dabei habe ich noch nicht einmal alles gegeben.
Grün ist ziemlich schick geworden. Und das ist das Problem. Als Leute begonnen haben sich punk zu kleiden, haben sie damit vielleicht auch Stück den Punk getötet. Als die Leute begannen Baggy-Pants zu tragen, ohne auch wirklich HipHop zu sein, haben sie vielleicht auch ein Stück den HipHop getötet. Was ich sagen will: Es sind zu viele Leute auf Zug und dadurch fährt er langsamer. Es fehlt an Identifikation, am Andersdenken und vor allem am Andershandeln. Wir sind doch nicht wirklich bereit etwas zu ändern, nicht bereit zu verzichten, denn das müssten wir, wenn wir die eh viel zu unpräzisen 2°C Ziele erreichen wollen.
Eine Woche später hat sich die Hoffnung der Welt zerschlagen. Nach mehr oder minder dramatischen Verhandlungen und abstursen Streits um X und Y, mussten die Macher sich eingestehen, dass sie wohl nichts machen können. Wie traurig das sich diese Wahrheit erst in solch wichtigen Momenten offenbart.
Ein kleines Plädoyer zum Schluss: Wer will das seine Kinder ein lebenswertes Leben führen können, muss gerade heute dafür sorge tragen. Und dazu gehört auch, nicht nur darauf zu hoffen, dass die Probleme von oben gelöst werden, während alles wie gewohnt seinen Gang geht. Mit der Fähigkeit sich veränderten Lebensumständen anzupassen ist die Spezies „Mensch“ zu einer dominierenden geworden. Das sollten wir nicht verlernen – wir sollten gleich damit beginnen!